Ausscheidungen, Röcheln, Tod

Deth of Field
Image by Hryck. via Flickr

Nara „Pionierin nationale Avantgarde“ misstönend und wohlklingend, liebt sich und bewaffnet sich „bis auf die Zähne“, sie wiederholt sich: „Ich habe einen Ausbruch/ ich habe eine Nation/ ich habe eine Revolution, wenn ich aus dieser Tür hinaustrete.“.

Jamila Medina. Ich, herrliche Tür: Ansichten einer Poesie mit Zwischenräumen

Revista Desliz 3, Kuba, 2009

Mein Körper ist kein Körper, er ist eine überinterpretierte Einheit, die zu viele Adjektive übrig hat und der zugleich die Fingernägel fehlen. Heute, hier im Westen, hier in Lateinamerika, hier in der Karibik, hier auf dieser Insel und in Havanna, ist ein Körper niemals ein Körper, sondern ein Ensemble von Worten, die Eigenschaften evozieren, aber die mögliche Stimme des Körpers ausschließen. Mit Glück schenkt der tropische Körper im Falle einer visuellen Überraschung ein paar spontane und eloquente Einsilber, die sich am ehesten an das annähern, was man sich unter dem Diskurs des Körpers vorstellen könnte.

Ein Körper ist übermäßig oft schlank, exquisit, leicht, brutal, abgegriffen, makellos und aufdringlich. Ein Körper Nicht-Körper, ist dieses Sprechen ohne Haare, Zähne und Flüssigkeiten. Während die Stadt sich immer häufiger in vitalen, organischen Metaphern erzählt, als sei sie ein Lebewesen, bleibt der Körper sich selbst blind. Die Glokalität buchstabiert sich wie ein Körper: Hier werden Informations„flüsse“ ausgetauscht, hier „zirkulieren“ Autos auf den Straßen, während sich zum Beispiel das Kapital aus dem Agrobusiness in Sinaloa „in den Händen des Drogenhandels“ befindet.  Die Stadt humanisiert sich, aber der Körper ist dennoch nicht da. Was ist letztlich das Menschliche? Müsst man diesen Begriff nicht genauso mit körperlicher Materie – man lese Schwindel, Röcheln und Ausscheidungen – auffüllen?

Also, versuchen wir, es einfach mal zu sagen: Das Wort zivil verlangt ein Individuum, das nicht vor seinem Körper davon rennt, sondern versteht, mit seinem Tod einen einsamen Dialog zu führen. Mit einem Körpers zu leben bedeutet auch, die Gewissheit eines nahe bevorstehenden Todes zu ertragen. Und ja, die Stammzellen machen Hoffnung. Aber wer möchte wahrhaftig die Unsterblichkeit? Und noch besser: Wer kann mit ihr leben?

Übersetzung: Anne Becker

2 Kommentare zu 'Ausscheidungen, Röcheln, Tod'

  1. Tilsa Otta sagt:

    felizmente te es dado elegir el conjunto de palabras que evoca tu cuerpo, „tú eliges el lugar de la herida…“ parafraseando a pizarnik; mientras tanto imagino una ciudad hablando por altavoz a nadie en especial y recuerdo el escalofriante cuento de arthur c. clarke „If i forget thee o earth“. Y sí se siente como un viernes por la noche.
    Un abrazo

    Spandeutsch (Anne):
    Glücklicherweise ist es dir überlassen, die Wörter zu wählen, die dein Körper evoziert, „du wählst den Ort deiner Wunde…“ um Pizarnik zu paraphrasieren. Währenddessen stelle ich mir eine Stadt vor, die über ein Lausprecher zu niemanden speziell spricht und erinnere mich an die Gänsehaut-Geschichte von Arthur C. Clarke „If I forget thee o earth“. Und ja, es fühlt sich wie ein Freitagabend an.
    Sei umarmt.

  2. Tilsa Otta sagt:

    me corrijo, el cuento que vino a mi mente era „llamada nocturna“ de bradbury, pero vale la pena leer los dos.

    Spandeutsch (Anne):
    Ich korrigiere mich. Die Erzählung die mir in den Sinn kam, war „llamada nocturna“ (Nächtlicher Anruf) de Bradbury, aber beide lohnen sich zu lesen.