Kubanische Transition

Kuba befindet sich in der Transition. Radikale Transformationen im Modus Operandi der Politik der Kubanischen Revolution. Raúl Castro, Präsident des Staats- und Ministerrat, stellte in seiner Rede zum Abschluss der Legislaturperiode der Asamblea Nacional del Poder popular (Nationalversammlung der Volksmacht) einige seiner Reformpläne vor. Um den Ton seiner Vision eines anderen Kubas zu markieren, ersetzte er am Ende seiner Rede das übliche Patria o Muerte: Venceremos (Vaterland oder Tod: Wir werden siegen) durch eine knappe Danksagung an das Publikum.“

Das war der erste Absatz eines verworfenen Entwurfs für einen Konferenzvortrag vor einem hauptsächlich nordamerikanischen Publikum beim Avant Writing Symposium der Ohio State University im August 2010. Wie soll man Kuba in 30 Minuten erklären? Während ich schrieb, versuchte ich, die offensichtliche Antworte beiseite zu schieben, die erste die einem in den Sinn kommt: unmöglich.

Mein Vortrag ist über Literatur. Aber was kann man über Kuba in welchem Bereich auch immer sagen, ohne über Politik zu sprechen? Ich kehrte noch einmal zu meinem Entwurf zurück. Es musste doch möglich sein, ich würde es erneut versuchen. Hier ist der neue Entwurf:

„Seit den 70er Jahren kann man sehr genau den Widerstreit zwischen der offiziellen kubanischen Kultur, die in den Medien und im öffentlichen Raum gezeigt werden darf, und den kulturellen Bewegungen, die sich weigern, sich an offizielle Vorgaben zu halten oder die nur vorgeben, sich daran zu halten, und von der revolutionären Kulturpolitik zurückgewiesen werden, erkennen.  In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige alternative Initiativen eingehen, wie etwa auf die Cátedra de Arte conducta (Lehrstuhl für Verhaltenskunst) von Tania Brugueras, das Projekt Contexto (Kontext) von Desiderio Navarro, die unabhängige Galerie Aglutinador Laboratorio (Labor Bindemittel) von Sandra Ceballos und das neuere Gegenstück namens Xoho des jungen Rubén Cruces, so wie das Kollektiv OMNI Zona Franca (Freie Zone), das von den staatlichen Behörden geschlossen wurde, als es sich zu einem öffentlichen kulturellen Raum entwickelte.“

Ich halte die Finger auf meiner Tastatur an. Zweifel überkommen mich. Vermittelt der Ausspruch „intervenido por las autoridades“ (von staatlichen Behörden geschlossen) einen Polizeieinsatz  im Stil offizieller Absperrungen mit Polizeikette, Uniformen und schwerem Geschoss? Ich glaube nicht … Man müsste genauer werden, oder vielleicht, die Bilder zeigen. Und letzten Endes: Was würde es bringen? Die Fotos, wenn auch beeindruckend, sagen nichts über die Gründe. Ausländern muss man stets eine lange, sehr lange Geschichte erzählen, um ihnen den „Fall Kuba“ verständlich zu machen, oder genauer gesagt, um ihn wenigstens oberflächlich zu veranschaulichen. Das Gegenteil kommt vor, ist aber sehr selten. In der Mehrzahl merkt man, wenn man Ausländer befragt, dass sie rein gar nichts verstehen.

Ich gebe auf. Ich trinke einen Schluck Tee. Ein Schluck Tee kann immer Wunder der Veränderung bewirken, zumindest im Magen, der letztendlich eine der Hauptzonen jeglichen kulturellen Lernens darstellt. Ich tippe weiter in die Tasten, und ich lasse es zu, dass die erhofften Schlussfolgerungen fließen:

„Die Spannungen haben derzeit auf der Insel zugenommen. Wir finden heute im kubanischen Panorama selbst gebastelte Aufnahmestudios in Privathäusern, unabhängige Produktionsfirmen, die jungen oder herangehenden Künstlern illegal ihre Dienstleistungen anbieten.“

Das klingt gut, zumindest gibt es Hoffnung. Muss ich sagen, dass ich zu jenen jungen Menschen auf Kuba gehöre, die in ihrer Arbeit und ihrem Leben von der Hoffnung motiviert sind? Nein, lassen wir sie … Zu erklären, worin diese Hoffnung besteht, wäre blöder. Gehen wir über zur Schlussfolgerung.

So sieht’s aus, mein letzter Schluck. Der Tee ist kalt geworden. Ich muss noch einen machen. Ich lese meine Zeilen noch einmal, bevor ich mich von meinem Stuhl erhebe. Was für ein Vorträgchen. Transition, politischer Konflikt vs. Gesten alternativer Kultur, Hoffnung … Was für ein Blödsinn. Ich lösche alles und fahre den Computer herunter. Ich werde ein wenig schlafen. Es ist zwei Uhr nachts, und obwohl der Konferenztermin naht, schiebe ich das Schreiben meines Vortrags um einen weiteren Tag auf.

Übersetzung: Anne Becker

3 Kommentare zu 'Kubanische Transition'

  1. Qué difícil la tienes, querida Lizabel. Cómo me hubiese gustado encontrarte en mi viaje a La Habana, aunque fuera para compartir el té entre silencios. Un abrazote y saludos a la peña por aquellos lares.

    Pd.- Queremos leer esa conferencia acá en LSD una vez que la hagas. Al menos yo.

    Spandeutsch (Anne):
    Wie schwer du es hast, liebe Lizabel. Wie sehr haette es mir gefallen, dich auf meiner Reise nach Havanna zu treffen, und sei es nur, um schweigsam einen Tee zusammen zu trinken. Eine grosse Umarmung und Gruesse an die Zirkel jener Gegenden.

    PS. Wir wollen hier im LSD gerne deinen Vortrag, wenn er fertig ist, zu lesen bekommen, zumindest ich.

  2. Liliana Lara sagt:

    Sí!!! Yo quiero leer esa conferencia!!

    Spandeutsch
    (Anne):
    Jaaaa! Ich moechte diesen Vortrag lesen!!

  3. Hola Leo y Liliana, en cuanto pueda les haré llegar el enlace de la confe… Se va a publicar en algún sitio y hasta entonces no me dejan „soltarla“, pero tan pronto como se haga pública la reproduciré en mi blog personal.

    Un abrazo. ¡Gracias por los comentarios!

    Spandeusch (Anne):
    Hallo Leo und Liliana, sobald ich kann, schicke ich euch den Link zu der Konfe… Der Vortrag wird irgendwo veröffentlicht werden, aber bis dahin darf ich ihn nicht „aus der Hand geben“, aber so bald er veröffentlicht wird, werde ich ihn in meinen persönlichen Blog stellen.

    Seid umarmt. Danke für die Kommentare!