Auf der Suche

Unser Gast-Blogger, der Autor, Übersetzer und Organisator des mobilen lateinamerikanischen Poesiefestivals Latinale hat sich an den offiziellen und weniger offiziellen Präsentationen der argentinischen Verlage umgeschaut.

Die Buchmesse ist ein Bienenschwarm, dachte ich, als ich aus der U-Bahn gespült wurde und in den langen neonbeleuchteten Gängen Garderobe und Toilette suchte. Die Superdemokráticos haben mich auf die Suche nach den unabhängigen Verlagen Argentiniens geschickt. Meine erste Station ist der offizielle Pavillon. Hier zeigt sich das südamerikanische Land von zwei Seiten, zum einen Land und Leute, Bilder der Präsidentin, die Kindern aus Slums Notepads schenkt, US-amerikanische Touristen vor den Wasserfällen in Iguazú und Bilder der Helden der argentinischen Kultur: Maradona, Borges, Cortázar, Evita, Gardel und Che Guevara. Ausgespart werden auch nicht Bilder von „Verschwundenen“: 30.000 Menschen wurden von der letzten Militärdiktatur verschleppt, ermordet und an unbekannten Orten verschachert oder aus Flugzeugen in den Río de la Plata geworfen: Vergangenheitsaufarbeitung à la Argentina. Von den unabhängigen Verlagen keine Spur.

Die zweite Station führt mich in die Halle 5.1., hier – auf einem Stand, der die argentinische Camara del Libro von der Buchmesse gemietet hat, finde ich zumindest Bücher von Adriana Hidalgo, Beatriz Viterbo und dem derzeit angesagtesten Independent-Verlag: Eterna Cadencia. Doch statt alternativen Verleger sitzen an den blankgeputzten Tischchen nur Anzugsträger, vertieft in aufgeklappte Aktenköfferchen. Auch auf der Leseinsel der kleinen Verlage in Halle 4.1 sind die argentinischen Underground-Autoren nicht. Ich bin ratlos. Der chilenische Dichter Sergio Parra gibt mir schließlich ein Tipp: Geh noch mal zurück in Halle 5.1 in einem Seitengang haben sie einen Stand besetzt. Und in der Tat: In einem schmucklosen Stand völlig ohne jegliches Verlagslogo oder Kataloge sitzen zwei Bärtige, der eine mit Brille, der andere mit Pferdeschwanz. Abgesandte der FLIA (der Feria de Libro Independiente). Monatlich findet dieses Bücherfest an wechselnden Orten in Buenos Aires statt. Bis zu 20.000 Besucher kaufen dort Bücher. Für die unabhängigen Verlage die wichtigste Veranstaltung im Monat. Matías Reck und Cristian di Forte heißen die beiden Independentverleger. Reck erzählt, dass sie acht Monatelang mit der Buchmesse und der COFRA (dem Organisationskomitee für den argentinischen Buchmesseauftritt als Ehrengast 2010) in Verhandlungen standen. Rausgekommen sei dabei nichts, am Ende wollten sie uns 4 qm für 165.- Euro geben – immer noch zu viel für uns, dann haben wir den Stand, der frei war, einfach besetzt. Und witzelt, nebenan sind die peruanischen unabhängigen Verlage, die feiern den ganzen Tag ihren Nobelpreis Vargas Llosa als hätten sie die Weltmeisterschaft gewonnen. Ich muss jetzt wieder los, in einer halben Stunde liest Washington Cucurto am besetzten Stand und signiert Kartonbücher.

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