Hier sprechen meine Freunde

Ich habe das erste Mal meinen Lebenslauf geschrieben, weil ich mich für ein Studium an der Universität in Berlin bewerben wollte. Eine Freundin setzte sich mit mir zusammen, um mir zu erklären, was das überhaupt ist. Der Text musste klar und bündig sein. In ihm gab es nur Platz für Objektivität. Um das zu schaffen, mussten all die entscheidenden Momente meines Lebens weggelassen werden. Ich durfte nicht sagen wessen Sohn, Bruder oder Freund ich bin. Wer eine Synthese schreibt, wird eventuell dazu gezwungen, Details wegzulassen, so dass die Zusammenfassung zu einer Kernaussage in all ihrer Totalität führt. Ein Lebenslauf ist allerdings eine erzwungene Synthese, die dem Leben des Individuums, für das er steht, die magische Aura nimmt, welche das Leben selber ist.

In diesem Text, der desinformiert, musste ich schreiben, dass ich am 23. September 1978 in Havanna, Kuba geboren wurde. Obwohl ich es interessanter gefunden hätte, das Kuba dieser Zeit zu beschreiben. Oder darüber zu schreiben, was ich empfunden habe, als ich Robin Hood zu Ende gelesen hatte und es meinem besten Freund in der Grundschule erzählt habe; die Erschütterung, mit fünf Jahren ein neues Leben im Viertel Alamar zu beginnen und alle meine alten Freunde zurückzulassen; die Begeisterung über mein eigenes Zimmer; das Leben in der Nähe des Russen-Strands; mein erstes Fahrrad; die Nächte, in denen ich den Geschichten meines Freundes Poli über seine Heimat Bayamo lauschte; erneut umzuziehen – und wieder all meine Freunde zu verlassen; neue Freunde kennenzulernen; meine erste Freundin; wie ich die Musik für mich entdeckte und meine ersten Akkorde auf der Gitarre spielen lernte, bei einer Lehrerin, die mich begeisterte: all das, was mich zu dem macht, der ich bin, durfte nicht im Lebenslauf stehen. Deshalb entschied ich mich ein Curriculum Vitae über Lebensdetails zu schreiben. Einen Lebenslauf, in dem meine Freunde zu Wort kommen.

Ehrlich gesagt, als er noch ein Kind war, hat er mir ständig Kopfschmerzen bereitet. Ich weiß gar nicht mehr, wann er den richtigen Weg gefunden hat. Stellen Sie sich vor: Als er drei war, lief er von zu Hause weg – seinem Vater nach. Ich hatte gar nichts davon mitbekommen, weil ich gerade am Waschen war, bis ich mich fragte: Wo wohl das Kind sein mag? Ich rannte sofort los! An der Straßenecke Monte und San Rafael rief mir eine Frau zu: Bleiben Sie stehen, das Kind ist hier! Das hat mir das Leben gerettet, denn genau in diesem Moment kam ein Auto, das mich überfahren hätte! Und glauben Sie, er hätte sich gefreut mich zu sehen? Nein, gar nicht! Er war glücklich mit seinen neuen Freunden.

Wir waren in derselben Klasse auf der Sekundarschule. Wir haben uns kennengelernt, als wir über irgendeinen Blödsinn diskutiert haben. Mit der Zeit wurden wir unzertrennlich. Ich werde nie vergessen, wie ihn eine Lehrerin zum Direktor schleppte, weil er gesagt hatte, Fidel sei der Präsident von Kuba. Du warst ein Fanatiker – fürs Problememachen.

Ich hab ihn in der neunten Klasse kennengelernt, er ging auf dem Weg zum Sport immer an meinem Haus vorbei. Ich fand ihn nett, auch wenn wir uns nie unterhalten hatten. Eines Tages auf einer Party haben wir getanzt, und damit das klar ist, ich habe mit dir getanzt, weil meine Freundin meinte, du könntest gut tanzen, was eine Lüge war, du konntest überhaupt nicht tanzen!

Wie haben wir uns kennengelernt? Naja, also am Gymnasium wurde unsere Freundschaft intensiver. Wir waren damals ein größerer Freundeskreis. Pedro hatte immer schon einen eher schwierigen Charakter: Manchmal introvertiert und dann hat er uns wieder mit seiner Extrovertiertheit überrascht. Als wir mit dem Gymnasium fertig waren, haben wir mit Privatlehrern gelernt, um die Aufnahmeprüfung für die Uni zu bestehen. Zur gleichen Zeit traten wir einer Theatergruppe bei, und von 7 Uhr morgens bis 15 Uhr nachmittags arbeiteten wir als Sanitäter im Krankenhaus, um unseren Privatunterricht zu bezahlen. Ab 20 Uhr probten wir mit der Theatergruppe, bis ungefähr Mitternacht. Gegen 2 Uhr morgens kamen wir nach Hause. In dieser Zeit haben wir wirklich nicht viel geschlafen. Wir hatten wirklich überhaupt kein Geld und tranken immer billigen Wein. Aufgrund der Nostalgie kommt es Pedruco wie eine großartige Zeit vor. Sag bloß, Alter! Natürlich war das keine schlechte Zeit, aber nur, weil wir ihr viel Gefühl gegeben haben und mit Herzblut dabei waren. Die Situation war brenzlig, und wir hatten viele Träume. Ein Träumer: Das war Pedruco schon immer.

Ich war eine der wenigen, die Philosophie gewählt hatten, und ich glaube Pedro auch. Er war immer einer derjenigen, die im Unterricht über alles diskutiert haben und das hat ihn mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht. Sehr leidenschaftlich werde ich immer sagen! Und dann kam es, dass sich der begeisterte Compañero Pedro im dritten Jahr an der Uni exmatrikulieren lassen wollte. Niemand hat das verstanden. Es gab eine Versammlung, und es wurde entschieden, dass man ihn nicht so einfach gehen lassen könne. Er war ein sehr guter Student! Ich wurde beauftragt mit ihm zu reden, und man gab ihm die Möglichkeit im nächsten Jahr weiter zu studieren. Es hat uns alle sehr überrascht, als er uns zu seiner Abschiedsparty eingeladen hat. Einfach so ohne alles nach Deutschland zu gehen – das hatte niemand von ihm gedacht! Aber tatsächlich ist er jetzt dort und studiert Philosophie.

Berlin war eine Herausforderung. In Sprache und Kultur hineinzuwachsen, waren der Schlüssel, um weiter studieren zu können. Die Stadt hat mich aufgenommen und mir in ihrem Alltag den Albtraum des Emigranten-Daseins gezeigt. Das Abenteuer geht weiter. Manchmal zeigt es seine groteske und grausame Seite, aber ich bin auf der Suche nach dem Lächeln, das mich rettet.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

Bisher 1 Kommentar zu 'Hier sprechen meine Freunde'

  1. Gabriel Calderón sagt:

    Hola Pedro
    me encantó tu síntesis
    en fin
    comentarte que yo crecí junto a una playita que se llama
    La playita del gas
    -imaginate-
    nunca me bañe en esa playa porque es una playita en pleno centro de montevideo, ya que como sabrás montevideo esta sobre el mar, que en realidad es río.
    entre varias cosas, me quede recordando los nombres de las playas de montevideo, te las enumero a ver si alguna te gusta o tiene relacion con otra playa de por ahí :
    Por ejemplo, mientras vos tenés una playa de los rusos, acá hay una playa que se llama playa de los ingleses. Después encontramos: la playa Honda, la playa Carracso, la playa Pocitos, la playa Ramirez, playa Malvin, playa del cerro, etc.