China – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Ninja-Metamorphose http://superdemokraticos.com/themen/burger/ninja-metamorphose/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/ninja-metamorphose/#comments Thu, 19 Aug 2010 07:16:23 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=941 Vor ein paar Monaten begann ich mit meiner zaghaften aber entschiedenen Verwandlung in einen Ninja. Und nun werde ich versuchen, meinen Freunden, den Superdemokraticos, die Gründe dieser Metamorphose zu erklären:

Erstens, die wirtschaftlichen Bedingungen. Die eiserne Disziplin, der sich ein Ninja unterwirft, erlaubt es ihm nur an wenigen Stunden in der Woche, sich dem Laster hinzugeben: Wein, Bier und anderen Substanzen erhalten einen bestimmten Platz. So wird ihr rituelles Wesen wiederhergestellt. Auch dem Sex, dieser kostspieligen Angewohnheit, wird ein Platz zugeteilt, aber anstatt nach Quantität zu suchen, besinnen wir uns auf seine mystische Qualität. Geld ist nicht weiter ein Feind, damit es wie Energie fließen kann.

Zweitens, wahre Freundschaften werden gepflegt. Ein Ninja hat diese falschen Freunde nicht nötig, von denen es nur so wimmelt, wie Fliegen, die sich auf einen Teller Milch stürzen. Man lernt, auf den allerersten Blick zu erkennen, welche Seelen unserer Verbündeten im Kampf, den Himmel zu erleuchten, sein werden. Der moderne Ninja von heute akzeptiert die spirituelle Bruderschaft, welche die Menschen mit all den tierischen, pflanzlichen und mineralischen Spezies verbindet, eingeschlossen Chihuahua-Hunde und Axolotl-Schwanzlurche. Wenn ihr genau hinschaut, könnt ihr erkennen, dass der Axolotl eine Art Ninja des Wassers ist, von dem er denkt, es wäre Luft. Sein amphibisches Naturell erlaubt es ihm, die Vergangenheit und die Zukunft zu bewohnen.

Die unsichtbaren Gegner bestraft ein Ninja mit Schweigen und Missachtung. Er widersetzt sich Beleidigungen, Verleumdungen und übler Nachrede durch lange Meditationssitzungen vor der aufgehenden Sonne. Wir lösen uns aus dem feindlichen Szenario und hinterlassen lediglich eine Wolke der Poesie.

Drittens, das Thema fashion. Manche sagen uns, dass das Äußere nicht wichtig ist, aber wir wissen genau, dass sie lügen. Wie müssen erfinderisch sein und Klamotten wie eine Sprache benutzen. Kleidung ist eine Textualität, deshalb kommen der Orden oder der schwarze Anzug mit Maske (verankert in der Populärkultur) niemals aus der Mode. Es ist die Zusammenfassung des Mysteriums und eine Ermahnung für das, was noch geschaffen wird.

Viertens, der Gewalt wird die Eleganz gegenübergestellt. Während sich in diesem Land alle kreuz und quer umbringen, ziemlich blutrünstig und würdelos, schlagen wir modernen Ninjas lieber mentale Kämpfe vor, die an den heiligen, präkolumbinischen Stätten ausgetragen werden sollten. Dieser allegorische Vorschlag impliziert nicht, dass wir verleugnen würden, dass der Ursprung der aktuellen (und realen) Gewalt in der sozialen Ungleichheit, der Korruption und der Straffreiheit zu findet ist, die während der gesamten Geschichte Zentralamerika verwüstet haben.

Ein fünfter Grund, warum man Ninja werden sollte, ist die Gesundheit. Ein Ninja ernährt sich gesund und äußerst maßvoll. Die körperliche Ertüchtigung ist für ihn lebensnotwendig. Spaziergänge im Wald und im Dschungel sind grundlegend, um sich fit zu halten. Auch das Fliegen zwischen den Häusern der Stadt ist eine weitere, sehr unterhaltsame Trainingsübung.

Und – last but not least – die Teleportation. Ein Ninja zu sein, erlaubt es mir, in ein anderes Land zu kommen, ohne mich von meinen Lieben trennen zu müssen.Guatemala ist ein wunderschönes Land, aber gleichzeitig stellt es ein Trainingscamp dar: den idealen Ort, um die Überzeugung und die tatsächliche Berufung eines Schriftstellers auf die Probe zu stellen. Hier reicht es nicht einmal, den Nobelpreis verliehen zu bekommen, damit einem Autor Ruhm erwiesen wird, was auch Miguel Ángel Asturias schon lernen musste … Etwas, das in jedem anderen Land in der Gegend sogar dazu geführt hätte, dass eine Provinz umbenannt wird, löst hier lediglich weiter Groll, Argwohn, Ärgernisse oder völliges Desinteresse aus.

Die Moskitos sind die einzigen, die würdevoll während des Klatschen sterben, predigt das japanische Bildungswesen. Wer es also in diesem Land tatsächlich anstrebt, Literatur zu schreiben, muss von einer inneren Wahrheit besessen sein, die unbedingt und entgegen alle Hindernisse offenbart werden muss. In meinem Fall manifestiert sich diese innere Wahrheit in einem Schreiben wie das eines Ninjas, der mit den Händen fantasiert. Ein Ninja, der die Kalligraphie wie eine Vorbereitung auf den Kampf praktiziert, der versucht, den nationalen Himmel zu verändern, in dem er verbale Sterne versprüht.

(Leer: Manifiesto de la Literatura Ninja)

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Gehen Sie doch nach China! http://superdemokraticos.com/poetologie/gehen-sie-doch-nach-china/ http://superdemokraticos.com/poetologie/gehen-sie-doch-nach-china/#comments Sat, 12 Jun 2010 10:11:16 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=174 „Achherrje, Karen, muss es unbedingt Südamerika sein?“ sagten die Redakteure, denen ich 2005 erzählte, dass ich ab sofort von Buenos Aires aus arbeiten würde. „Wir würden ja gerne so viel wie möglich von Ihnen drucken! Aber, gehen Sie doch nach China!“

Südamerika ist für Deutschland nicht das Epizentrum des Weltgeschehens, das war mir klar. Und egal. Ich hatte meine Abschlussarbeit über die „Konstruktion von Wirklichkeit in Krisensituationen am Beispiel der Abwertung des argentinischen Pesos“ (weder Titel noch Text sind leserfreundlich, ich weiß!) geschrieben, Praktika in Buenos Aires gemacht, Freunde gefunden. Aber das alles hatte gerade gereicht, um meine Neugier zu wecken. Ich wollte mehr lernen über diesen Kontinent.

Inzwischen bin ich seit fünf Jahren Korrespondentin des Weltreporter-Netzwerks in Südamerika. Ein toller Job, aber einfach ist er nicht. Ich musste mich an die typischen Absagen gewöhnt: „Nein danke, Peru brauchen wir nicht, wir hatten gerade was aus Uruguay.“ „Vielen Dank, Folter ist kein Frühlingsthema. Haben Sie nicht was Lustiges, was Buntes? Doch glücklicherweise gibt es immer wieder Redakteure, die sich nicht nur für Maradona und Ché-Gedenktage interessieren, sondern auch für Menschenrechts- oder Umweltthemen. Und ihren Lesern solche Geschichten nicht vorenthalten möchten.

Im Alltag freue ich mich über kleine Momente, die die Lust am Schreiben aufrecht halten. Ich denke da an die Geschichte von Bernardo, einem jüdischen Schuhputzer. 1938 hieß er noch Bernhard und floh mit seiner Familie aus Berlin nach Buenos Aires, gerade noch rechtzeitig, bevor die Nazis die Grenzen dicht machten. Sein Vater starb kurz nach der Ankunft in Argentinien, Bernardo verlor ein Auge und ging nicht mehr zu Schule. Bald hatte er sich damit abgefunden, bis an sein Lebensende Schuhe zu putzen und das Brandenburger Tor nie wieder zu sehen, was trotz des zweiten Weltkriegs sein Traum blieb. Er hatte weder Geld noch eine Staatsangehörigkeit. Das änderte sich erst 70 Jahre nach seiner Flucht aus Deutschland, als sich ein junger Anwalt die Schuhe putzen ließ. Dem aufmerksamen Kunden fiel Bernardos deutscher Akzent auf. Und weil Alejandro Candiotis Vater der argentinische Botschafter in Berlin war, hatte Bernardo dank der Bemühungen des Anwalts bald seinen deutschen Pass zurück. Nach einem Artikel auf Spiegel Online ließ Angela Merkel dem Schuhputzer einen Gruß senden, den Bernardo heute noch – zusammen mit dem ausgedruckten Artikel – in der Kiste mit den Putzutensilien mit sich herum trägt.

Allmählich wächst das Interesse an Südamerikathemen in Deutschland. Das mag polarisierenden Figuren wie Hugo Chávez oder der Rolle Brasiliens als Wirtschaftsmacht zu verdanken sein. Aber auch der Austausch-Achse „Berlin-Buenos Aires“, die Neugier auf Kulturthemen weckt. Weshalb ich übrigens immer noch nicht vor habe, nach China zu ziehen.

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