Bolivia – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 Googlexploitaglobalisation* http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/googlexploitaglobalisation/ Mon, 27 Sep 2010 07:02:54 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2223 Globalisierung: [Damit] wird so etwas wie eine geheime Macht bezeichnet, die die Welt bewegt, unser aller Leben bestimmt und uns immer stärker beherrscht.
Joachim Hirsch

Wie sehr ich doch diese kleine Maschine mag, auf der ich jeden Tag schreibe, suche, recherchiere, mich informiere, mit Freunden in fernen Ländern spreche… niemand zweifelt an der Unberechenbarkeit des Internets, an seiner technologischen Schönheit….

Aber es ist auch gut zu wissen, dass dieses herrliche Notebook, fast schon Verlängerung meiner Finger und Gedanken, mit Sicherheit von einem Sklavenkind in Asien zusammengebaut wurde. Diese schreckliche Dualität, diese dunkle Realität, ist eine erwiesene Präsenz, eine Realität unserer globalisierten Welt und Teil dessen, das ich nicht vergessen möchte.

Wir sind miteinander verstrickt, sehr verstrickt. Und ich ziehe es vor, aufmerksam zu sein und darüber nachzudenken, was man aus all dem macht.

Ich google:

– Globalisierung als ökonomischer Prozess: Das kapitalistische System ist von Anfang an ein globales System, weshalb die gegenwärtige Globalisierung in ihrem Wesen ein kapitalistisches Projekt im Klassenkampf ist.

– Produktion: dazu Folgendes: Es sind die privaten Unternehmen, die die wirtschaftlichen Regeln der Produktion bestimmen. Die ökonomische Globalisierung schlug eine neue Form der Verknüpfung auf der Ebene der Produktion, Verteilung und Kommerzialisierung von Dienstleistungen und Gütern vor, wodurch die Welt als privilegierter Raum gesetzt wurde, in dem es möglich ist, unternehmerischen Gewinn zu erwirtschaften. Gemeinsam mit der Politik des freien Marktes und der industriellen Förderung durch Steuerbefreiungen verlagerte sich die industrielle Produktion territorial, um von geringeren Produktionskosten zu profitieren.

– Klassenkampf: Im Rahmen des kapitalistischen Systems zerstören die globalisierte Wirtschaft und die globale Arbeitsteilung die Arbeitnehmerrechte und die Gewerkschaften und vertiefen die ökonomischen und sozialen Ungleichheiten. Wenn die wichtigste Waffe des Proletariats seine Masse und Organisation ist, so ist die Zwangsarbeit eine Methode, um das Proletariat zu entwaffnen.

– Sklavenarbeit: Die versklavten Arbeiter haben keine Mittel, um gegen die Ausbeutung zu kämpfen, wie es uns, dem Rest der Lohnarbeiter, möglich ist. Sie haben keine Möglichkeit, sich zu vereinigen, gewerkschaftlich aktiv zu werden oder die Unternehmen ökonomisch unter Druck zu setzen. Sie können keinen Kampf gegen den Arbeitgeber aufrecht erhalten, da sie zuallererst überleben müssen. Weiter: Ihre Lebensbedingungen führen dazu, dass sie vom Rest der Arbeiterklasse isoliert sind. Weiter: deklassiert.

– Sklaverei: 1948. Wendepunkt des Kapitalismus. Ende des Zweiten Weltkriegs. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen: „Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten.“ Zahlen: Laut Berichten von Organisationen, die sich dem Kampf der Sklaverei verschrieben haben, gibt es heute mindestens 27 Mio. Sklaven auf der Welt. Frage: Warum gibt es heute mehr Sklaven als im 16., 17. und 18. Jahrhundert gemeinsam? Alle diese Zahlen finden sich bei Google.

– ein Beispiel: Die Textilindustrie ist eine der am meisten globalisierten, die großen Marken wie Levi’s, Guess oder Nike verlagern die Produktion, die gering-qualifizierte Arbeit erfordert, in Gebiete wie Asien und Lateinamerika, wo die Industrie sie in Hülle und Fülle mit semi-versklavter Arbeitskraft versorgt, wie auch die Gesetzgebung ausländische Investitionen durch Zollbefreiungen und steuerliche Entlastungen erleichtert, wenn diese Unternehmen innerhalb ihrer Freizonen produzieren. In diesen Fabriken sind zwischen 60 und 90% der Arbeiter Frauen und die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen ist grotesk. Eine andere Zahl: Kinder sind die ersten Opfer dieser Praktiken, die bis zu 10% der Arbeitskraft der Welt ausmachen und schätzungsweise jährlich 13 Milliarden (US$) des globalen BIP ausmachen.

– in Argentinien: Dem Bericht „Quién es quien en la cadena de valor de la industria textil“ (Wer ist wer in der Wertkette der Textilindustrie) zufolge, der von der Stiftung „El Otro“ (Der Andere) und der Organisation „Interrupción“ (Störung) erstellt wurde, ist die am weitesten verbreitete und bekannteste Form (des Handels mit dem Ziel der Ausbeutung von Arbeit) die Ausbeutung von Personen in den Produktionsstätten der Kleidungsindustrie. Die Fälle von Handel mit versklavter und unterwürfiger Arbeit in Argentinien konzentrieren sich im Norden des Landes und in den Produktionsstätten in der Stadt Buenos Aires und Umgebung. Die Immigranten der angrenzenden Länder, vor allem aus Bolivien, leiden am meisten unter dieser Ausbeutung.

– ein anderes Beispiel: Die Textildesigner-Werkstatt von Yo no fui, wo die Frauen ihre eigenen Produkte herstellen und verkaufen, kann nicht mit den Marktpreisen konkurrieren. Wenn eine Person, die arbeitet, einen gerechten Preis für die geleistete Arbeit verlangt, bleibt sie vom Markt ausgeschlossen… oder besser, wie auch die Poesie, sucht sie sich Nischen, in denen sie wachsen kann. Was tun wir? Wir verkaufen von Angesicht zu Angesicht, direkt vom Produzenten zum Käufer. Auf Märkten, Festen, in Büros usw. Wir sind viele, die diese Form der Produktion bevorzugen, möglicherweise sind wir nicht genügend Leute, aber doch viele… Fairer Handel und verantwortungsvoller Konsum.

*Dieser Text ist eine Kollage aus Material, das durch verschiedene Google-Suchanfragen zusammengestellt wurde.

Übersetzung: Marcela Knapp

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Adam und Eva im Amazonas http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/adam-und-eva-im-amazonas/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/adam-und-eva-im-amazonas/#comments Mon, 12 Jul 2010 18:53:12 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=443 Das irdische Paradies hat real existiert und lag in der Neuen Welt. Das versicherte zumindest der spanische Historiker Antonio de León Pinelo im 17. Jahrhundert, der – indem er sich auf Passagen aus der Bibel bezog – zu der Schlussfolgerung kam, dass Gott keinen geeigneteren Ort gefunden habe, um seinen Garten Eden zu errichten als den amazonischen Regenwald, der sich heute über Bolivien, Brasilien und Peru erstreckt. Und wer würde schon die Worte eines Historikers in Frage stellen?

Die Eroberer fanden bald Dinge in der Natur, die diese Theorie stützten. In den Papageien sahen sie beispielsweise den Beweis der Existenz jener „sprechenden Vögel‘, die im Werk ihres Landsmannes beschrieben wurden. Auf diese Weise wurde eine Lawine losgetreten, die nicht mehr zu bremsen war: Die Eroberer glaubten an Pinelo, Spanien glaubte an seine Eroberer und Europa glaubte an ihre Spanier. Schlussendlich wurde während des gesamten 17. Jahrhunderts geglaubt, dass sich der Garten Eden auf südamerikanischem Boden befände.

Könnt ihr euch Adam und Eva dunkelhäutig vorstellen, wie sie Taitetús (Bergschweine) mit Kochbananen verschlingen und sich in den schlängelnden Flüssen des Amazonas baden? Oder wie sie die Früchte des verbotenen Baumes (jener da, von der Erkenntnis des Guten und des Bösen) mit andinen Händlern gegen Kokablätter eintauschen? Oder vielleicht wie Kain, nachdem er Abel ermordete, in Richtung Nordamerika flieht?

Ich finde die Idee verführerisch, aber meine Mutter würde sich sicherlich umbringen, wenn sie die Theorie bestätigt sehen würde, dass ihre Vorfahren kleine Dunkelhäutige aus dem Urwald waren und nicht diese blonden und stolzen Blankoiden mit ihren perfekten Körpern und ihrem europäischem Antlitz, wie sie in der Bibel auf ihrem Nachttisch abgebildet sind, (also besser: pssst!).

Es ist schon komisch, welche Wendungen die Geschichte manchmal nimmt, findet ihr nicht? In vielen Fällen wird sie nur durch eine einzelne Aussage geboren, verwandelt sich in eine kollektive Vorstellung und endet schließlich als historische Wahrheit. Einige Wahrheiten mutieren und verschwinden wieder, wie das mit der Theorie über den südamerikanische Garten Eden der Fall war. Diese unterlag letztendlich der wissenschaftlichen Theorie, die Afrika als die Wiege der Menschheit sieht.

So etwas passiert jeden Tag und mit den alltäglichsten Dingen: Zum Beispiel, dass man beim Sex in einer Badewanne mit heißem Wasser garantiert nicht schwanger werden kann. Dass es im Winter eine höhere Selbstmordrate gibt. Dass Männern, die masturbieren, ein Haar auf der Handfläche wächst. Dass die Brüste von Selma Hayek falsch sind…Letztlich gibt es Themen jeder Couleur und für jeden Geschmack und es hängt von jedem einzelnen ab, ob er sie glauben oder verwerfen will; oder aber auch, ob er sie erfinden will.

Wie wäre es, wenn wir uns von den „Superdemokraticos“ aus vornehmen, ein solche Vorstellung ins Leben zu rufen? Und sie solange im Netz streuen, bis sie eine unanfechtbare Wahrheit ist? Ich schlage vor, wir versichern allen, dass Grenzen schädlich für die Gesundheit des Planeten sind. Und du? Was schlägst du vor?
MORENADA MIX 2010

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Seelenlos/ Geschichtslos http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/seelenlos-geschichtslos/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/seelenlos-geschichtslos/#comments Tue, 22 Jun 2010 10:13:49 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=272 Man nehme eine Handvoll aristokratischer Großgrundbesitzer, füge eine Scheibe von Repräsentanten der kaufmännischen Bourgeoisie dazu, würze dies mit einer Prise katholischem Klerus, der sich die Zeiten der Monarchie wieder zurück wünscht und koche sich damit ein Land. Nein, das ist kein Scherz. 1825 entschlossen sich ein paar traditionelle Nutznießer der spanischen Kolonie, eine Republik zu gründen. Sie nannten sie damals Bolívar, heute heißt sie Plurinationaler Staat Bolivien. Die „Väter der Heimat“ hatten damals die Befürchtung, dass die „barbarischen“ Heerscharen der Rebellen in Großkolumbien – angeführt von Simón Bolívar – die Privilegien, die sie im Hoheitsgebiet Hoch-Peru dank der Spanischen Krone genossen hatten, abschaffen würden. Ihre Lösung? Ein Land gründen. Es gab weder etwas Romantisches in der Gründung Boliviens, noch war es für sie wichtig, die Basis für ein demokratisches Land und für das Wohl der Bewohner zu schaffen. Doch genauso wird es bis heute an den Schulen und Universitäten gelehrt.

Die große Mehrheit der indigenen Bevölkerung, die damals 95 Prozent der Bevölkerung ausmachte, blieb nach der Geburt Boliviens ausgeschlossen. Keiner ihrer Repräsentanten war bei der Gründung des neuen Landes dabei, obwohl sie bei dem tatsächlichen Befreiungskampf die Hauptakteure gewesen waren. Somit wurden den „Seelenlosen“ auch in dem funkelnagelneuen Land dieselben Rollen zugeschrieben, die ihnen auch schon von den Spaniern aufgezwungen worden waren. Und zwar waren sie: a) eine kostenlose Arbeitskraft in den Minen, sowie auf privaten und kirchlichen landwirtschaftlichen Flächen, b) eine unerschöpfliche Quelle zur Stärkung der nationalen Wirtschaft durch Steuern wie den Kirchenzehnter und die Abgabe des ersten Teils der Ernte c) eine einfache folkloristische Dekoration, die ab und zu auf ihren Flöten spielt.

Und so kam es, dass um 1825 von den wahren Helden der Unabhängigkeitskämpfe, diejenigen, die über 15 Jahre hinweg an der Seite der Indigenen alles geopfert hatten – auch ihre Familien und Besitztümer – fast keiner mehr übrig war. Das Land war zwar befreit von dem spanischen Joch, aber es gab auch keine Anführer des Freiheitskampfes mehr und somit lag das Schicksal in den Händen der „Herren Akademiker“. Bolivien wurde aus dem Ehrgeiz einer Schicht von Weißen und Mestizen geboren, die weiterhin die ursprüngliche Bevölkerung ausnutze, sie absichtlich aus der Geschichtsschreibung ausschloss und mit dieser Logik das Fundament für die ersten republikanischen Institutionen legte.

Nicht einmal der Befreier selbst, Bolívar, konnte diese Ausbeutung abschaffen, obwohl er zum Präsidenten der jungen Republik, die seinen Namen trug, ernannt wurde. Als er 1825 in das Land kam, war eine seiner ersten Amtshandlungen eine Verordnung, laut der es den „politischen und religiösen Autoritäten, sowie generell den Grundbesitzern, verboten wurde, die Arbeitskraft der Indigenen bei der Feldarbeit nach dem System der pongueaje und mitaje (ein System der Zwangsarbeit und des Arbeitsdienstes) auszunutzen, es sei denn, es war zuvor ein freier Vertrag über das Gehaltes ihrer Leistungen geschlossen worden.“ Es ist überflüssig zu erwähnen, dass diese Verordnung in den Annalen des Vergessens des neuen Landes archiviert wurde. Außerdem: Wer war der karibische Kämpfer eigentlich, um die Gesetze zu ändern, die in Hoch-Peru schon seit über 300 Jahren galten?

VOM HIMMELREICH IN DIE HÖLLE

„Der Indio (…) isst vom Eigenem, was er zum Leben braucht und vom Fremden, bis er platzt: Er lebt um zu leben und schläft ohne Maß; er glaubt nur an das Falsche und lehnt die Wahrheit ab: er wird aus Dummheit krank und stirbt, ohne Gott zu fürchten.” Dies schrieb ein Bürger von La Paz in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Seine Worte wurden von dem bolivianischen Geschichtsschreiber Ramiro Condarco wieder gefunden und zeigen deutlich die spürbare Verachtung gegenüber den Aymaras – den Indigenen des bolivianischen Westens.

Diese Verachtung veranlasste die Autoritäten und Historiker jener Zeit, wichtige bolivianische Persönlichkeiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts einfach zu übergehen. Einer von ihnen war Zarate Willca. 1889 begann die politische Elite in den Departements La Paz und Chuquisaca einen internen Kampf um die Macht, der die föderale Revolution einleitete. Die liberale Aristokratie aus La Paz lehnte sich gegen die Regierung von Fernández Alonso auf, ohne finanzielle oder kriegerische Mittel zur Verfügung zu haben. Ihre Anführer suchten verzweifelt die Unterstützung der indigenen Bevölkerung, indem sie ihnen fundamentale Verbesserungen für ihr Lebens versprachen. Dabei reichte es nicht aus, von den Indigenen ihre Arbeitskraft und wirtschaftliche Beiträge zu fordern, diesmal war ein Blutzoll nötig. Angeführt von Zarate Willca übernahmen Tausende von Aymaras die föderalen Ideale der Politiker aus La Paz und halfen ihnen, die Konstitutionalisten zu besiegen.

Nach den Siegen auf den Feldern der Hochebene waren nichtsdestotrotz „die Revolutionäre selbst die ersten, die den verachtenswerten und sträflichen Versuch begingen, die historische Wahrheit zu verfälschen, indem sie ihren Anteil und die Mitverantwortung an dem Aufstand der Indigenen nicht anerkannten und verleugneten – sogar schon zu einem Zeitpunkt, wo sie den Schauplatz des unglückseligen Geschehens, das sie angestiftet hatten, noch nicht einmal verlassen hatten,“ schrieb Ramiro Condarco, der im 20. Jahrhundert die indigenen Anführer, die an diesem Ereignis teilnahmen, aus dem Halbdunkel der offiziellen Geschichte hervorholte.

Damit war der Bürgerkrieg beendet, aber es begann eine Rebellion der Aymaras. Die große indigene Bevölkerung glaubte, dass der Sieg sie dazu ermächtigen würde, die von ihnen angestrebten Forderungen, wie die Zurückgabe ihres ursprünglichen Gemeindelandes, durchzusetzen. Das hatten ihnen die Konservativen aus La Paz im Gegenzug für ihre Unterstützung im Krieg zugesichert. Die indigenen Anführer wurden verfolgt und ihre Teilnahme an dem föderalistischen Krieg wurde verleugnet. Kein einziges offizielles, öffentliches Dokument aus jener Zeit dokumentierte die Wahrheit über die indigene Beteiligung. Zarate Willka wurde wegen der Maßlosigkeit, die sich andere indigene Anführer in ihrer Verzweiflung zu Schulde kommen ließen, verurteilt und Jahre später hingerichtet, ohne sich zu diesen Anschuldigungen äußern zu können.

Vor kurzem wurde die ursprüngliche Bevölkerung Boliviens erneut von der politischen Elite zusammengerufen. Der Präsident Evo Morales –selbsternannter erster indigener Präsident des Landes- wandte sich ebenfalls an sie und erbat ihre Hilfe, um das ‚neoliberale‘ Lager zu besiegen und die Macht zu übernehmen. Aber die Geschichte wiederholt sich. Die Repräsentanten der indigenen Ethnien, die ein Amt inne haben, das ihnen die Macht geben würde, über das Schicksal des Landes zu entscheiden, lassen sich an einer Hand abzählen. Im Vergleich dazu würden die Zeigefinger aller Einwohner Berlins nicht dazu ausreichen, die Zahl der Indigenen, die in Armut leben, anzuzeigen. Es sind immer noch die Söhne der weißen und mestizischen „Herrn Akademiker” des 19. Jahrhunderts, die an der Macht sind und die sich ausgesprochen wenig für die ländliche, indigene Bevölkerung interessieren.

Übersetzung: Barbara Buxbaum

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Sich lustig machen über Pilatus http://superdemokraticos.com/poetologie/sich-lustig-machen-uber-pilatus/ http://superdemokraticos.com/poetologie/sich-lustig-machen-uber-pilatus/#comments Thu, 17 Jun 2010 17:20:51 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=268 Er heißt Fernando Barrientos, aber fast alle nennen ihn flaco, den Dünnen. Er wurde 1977 während des Karnevals geboren, just zu dem Zeitpunkt, als das Farbfernsehen nach Tarija kam und diesen Ort in noch ein telenoveleskeres Dorf verwandelte. Er glaubt, sich genau an den Moment zu erinnern, als von ihm im Alter von vier Jahren ein Foto gemacht wurde, das bis heute im Haus seiner Eltern vergrößert an der Wand hängt, und in Originalgröße seinen Kinderreisepass schmückt. 1986, kurz vor dem Morgengrauen eines merkwürdigen Tages, sah er den Kometen Halley vorbeifliegen. Als er zwölf Jahre alt war, kaufte er sich seine ersten Schallplatten und wurde ein Fan der Gewalt in der Musik. Nachdem er mit 18 Jahren seinem dogmatisch-militanten Dasein in der bedeutungslosen Heavy-Metall-Szene abgeschworen hatte, das ihm fast die Stimmbänder gekostet hätte, irrte er ein wenig unsicher umher, auf der Suche nach einer neuen Möglichkeit, seine Gangster-Energie zu entladen.

Aus Neugierde für den Rauch, der aus einer Bruchbude mit unleserlichem Klingelschild stieß, lernte er ein Paar exzentrische Personen kennen, die ihn sogleich adoptierten. Doch kurz darauf floh er zum Soziologiestudium nach La Paz und befreite sich so für eine kurze Weile von ihnen. Im Jahr 2000, so als hätte ihn der Y2K Millenium-Effekt getroffen, stürzte er in eine neue Krise. Er verbarrikadierte sich zum Lesen, brachte die Zeit durcheinander und begann, ein paar kurze Texte zu schreiben, die in den Anthologien „Memoria de lo que vendrá“ (Erinnerung an das, was kommt), „Conductas erráticas“ (Irrige Verhaltensweisen) und anderen Sammelbänden, Magazinen und Zeitungen erschienen. In der dritten Person Singular zu sprechen, ist für ihn eine Art Therapie.

Er hat all seine Eigenschaften und Fehler einer Prüfung unterzogen und zieht es derzeit vor, leichterdings durchs Leben zu gehen. Eine andere, unverhofftere Metamorphose machte ihn 2008 zum Verleger (eine Tätigkeit, bei der man nichts verdient, aber die man genießt) des Verlags „El Cuervo“ (der Rabe). Er brüstet sich wie ein Pfau mit den ersten drei von ihm verlegten Büchern: „Cuaderno de Sombra“ (Heft des Schattens) von Julio Barriga; „Diario“ (Tagebuch) von Maximiliano Barrientos und „Vacaciones permanentes“ (Permanente Ferien) von Liliana Colanzi. Er ist verliebt in Miss Thailand. Dieses Jahr hat er vor, noch drei weitere Bücher zu verlegen und sich über Pilatus lustig zu machen.

Übersetzung: Anne Becker

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