Argentinien – Los Superdemokraticos http://superdemokraticos.com Mon, 03 Sep 2018 09:57:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 „Frohe Weihnachten, maradonianischer Bruder!“ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/%e2%80%9efrohe-weihnachten-maradonianischer-bruder%e2%80%9c/ Mon, 13 Dec 2010 10:58:41 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=3387

Hochzeit am Weihnachtsabend: Die Paare versprechen, männlichen Nachwuchs mit zweitem Namen Diego zu nennen.

Ich feiere jedes Jahr zweimal Weihnachten. Das erste Mal Ende Oktober mit der maradonianischen Kirche: Am 30. Oktober wurde Diego Armando Maradona geboren, Jesus und Erlöser vieler argentinischer Fußballfans. Die zweite Feier ist am 24. Dezember, dem Geburtstag des herkömmlichen Jesus.

Eigentlich war alles zunächst nur ein Scherz: „Frohe Weihnachten“, sagte Hernán Amez einmal an einem 30. Oktober zu seinem Freund Alejandro Verón am Telefon. „Weihnachten?“ fragte Alejandro. „Na, überleg mal, wer hat heute Geburtstag?“, sagte Hernán, wie Alejandro Sportreporter im lokalen Radio. Alejandro verstand: „Frohe Weihnachten, maradonianischer Bruder!“ Die Freunde gründeten die Iglesia Maradoniana. Sie besorgten Messwein, beteten das erste „Diego unser“ und legten die zehn Gebote der Maradonianischen Kirche fest. Seitdem singen die Jünger jedes Jahr wieder das „Ave Diego“, kleben das Gesicht Maradonas auf Christbaumkugeln, essen Pizza und trinken Bier.

„Ziel der Iglesia Maradoniana ist es, Maradona zu ehren und seine Wunder zu verkünden. Wir wollen nicht, dass ihm erst gehuldigt wird, wenn er tot ist“, erklärte Alejandro Verón, als ich die Maradonianer zum ersten Mal besuchte. „Wir sind fast alle katholisch. Der christliche Gott ist für uns der Gott des Verstandes, Diego ist der Gott der Herzen.“ Das beste Beispiel dafür sei seine Schwester Jaquelin. Sie hat drei Mal geheiratet, standesamtlich, kirchlich, maradonianisch. Jaquelin und ihr Mann Mauricio schworen sich in einem Stadion die Treue, legten dazu die Hände auf einen Ball und lasen aus der maradonianischen Bibel.

Wer denkt, er kann dem Weihnachtsterror entfliehen, wenn er auf die Südhalbkugel reist, täuscht sich

Mein zweites Weihnachtsfest findet am 24. Dezember statt und ist wesentlich weniger exotisch. Denn die meisten Weihachtstraditionen in Argentinien stammen von den Einwanderen aus Europa. Obwohl sie eigentlich nicht zur Jahreszeit und zum Kontinent passen: Auf der Südhalbkugel ist im Dezember Hochsommer. Trotzdem sieht man überall Kunstschnee auf Kunsttannen bei 35 Grad, es gibt schweres Essen (kann auch eine Weihnachtsgans sein), hört Weihnachtslieder mit Textzeilen, in denen schneit, vor den Einkaufszentren leiden Weihnachtsmänner unter ihren roten Sauna-Mäntelchen. Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Trotzdem legt man in katholischen Familien die Geschenke unter den geschmückten Baum (im Nordwesten Argentiniens habe ich mangels Nadelbäumen auch schon mit Lametta behängte Kakteen gesehen). Und tut um Mitternacht so, als sei schon Silvester: Es gibt Sekt und überall donnern die Böller. Das Programm an Silvester ist übrigens sehr ähnlich: Essen mit der Familie. Sekt und Böller um Mitternacht.

PS: Es soll Touristen geben, die in ihrem Reiseführer die Maradonianische Kirche suchen und schwer enttäuscht sind, weil sie keine Adresse finden. Achtung, Missverständnisalarm! Die Maradonianische Kirche ist kein Gebäude aus Stein und Mörtel. Sie ist ein Zusammenschluss enthusiastischer Fans. Nicht mehr – aber auch nicht weniger!

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Democracia = Demokratie? http://superdemokraticos.com/themen/burger/democracia-demokratie/ Tue, 05 Oct 2010 07:00:10 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2331 Wir schreiben seit ein paar Monaten in diesem Blog mit dem Titel „Los Superdemokraticos“. Aber: Bedeutet Demokratie für die deutschen und die lateinamerikanischen Autoren überhaupt über das Gleiche? Wenn doch schon der Begriff bei einem Kolombianer und einem Argentinier völlig unterschiedliche Assoziationen auslösen kann! „Die Rückkehr zur Demokratie“ ist für einen Argentinier ein Meilenstein, ein Aufatmen. „La seguridad democrática“ in Kolumbien ist ein Sicherheitskonzept der harten Hand, entworfen unter Ex-Präsident Alvaro Uribe.

Das beste ist immer, jemanden zu fragen, der Bescheid weiß. Roberto Gargarella zum Beispiel. Er ist Anwalt und Soziologe, Master in Political Sciences, hat zu verschiedenen Aspekten der Funktionsweise demokratischer Systeme gearbeitet. Er unterrrichtet in Buenos Aires an der Universidad Di Tella, war Gastprofessor in Spanien, Norwegen und Ungarn. Im November fliegt er nach Hamburg, um dort im Rahmen eines Seminars des GIGA-Instituts über Verfassungsänderungen in Lateinamerika zu sprechen.

Meinen Argentinier und Deutsche das Gleiche, wenn sie über „Demokratie“ sprechen?

Wir sprechen oft über völlig verschiedene Dinge, wenn wir einen Begriff definieren. Es kann zum Beispiel etwas völlig anderes bedeuten, wenn man sagt: „Ich bin links“, „Ich bin rechts“, „Ich bin Liberaler.“ In Argentinien ist ein Liberaler rechten Ideologien nah, sogar der letzten Diktatur, während der Liberalismus z.B. in den USA als fortschrittlich gilt, sich auf die Linke bezieht.

Welche Rolle hat der Staatschef in den beiden Ländern?

In Argentinien haben wir ein Präsidialsystem, das zu einem Hyper-Präsidialsystem geworden ist. Die Grundlage für die meisten lateinamerikanischen Verfassungen ist das nordamerikanische Modell, aber unsere Präsidenten haben verfassungsmäßig mehr Macht als in den USA. Ein argentinischer Präsident kann in die Politik der Provinzen eingreifen, den Ausnahmezustand erklären, durch diesen die Bürgerrechte einschränken, er kann nach Gutdünken Minister ernennen und absetzen. In parlamentarischen Systemen hat ein Präsident längst nicht so viele Vollmachten.

Deshalb steht die Figur des Präsidenten im Mittelpunkt, er ist der große Entscheider. Ich kritisiere das Hyper-Präsidialsystem, weil es ein großes Risiko gibt: Das System der Gewalten und Gegengewalten, kann durch eine sehr starke Exekutive gestört werden.

Wenn man den Statistiken glaubt, funktioniert die Demokratie in Deutschland besser als in Argentinien.

Wenn wir die Demokratie als ein System von Gewalten und Gegengewalten verstehen, mit freier Meinungsäußerung, regelmäßigen Wahlen, steht Argentinien im Vergleich schlechter da.

Wenn man aber näher hinschaut und auf die Kontrollmöglichkeiten achtet, die die Bürger gegenüber ihren Volksvertretern haben, funktionieren beide Modelle, das argentinische und das deutsche, nicht gut. Ich ziehe es vor, ein Demokratie kritisch zu beurteilen.

In einem Punkt liegt Argentinien übrigens vorne, es gibt eine große Beteiligung der Bürger in der Tagespolitik. Die Leute interessieren sich, handeln politisch, gehen auf die Straße, protestieren, und zwar mehr als in europäischen Ländern. Das ist meiner Meinung nach einer der interessantesten Züge, die die lateinamerikanische Politik vorzuweisen hat: Dass die Bürger sich für etwas einsetzen und versuchen, selbst politische Kontrolle auszuüben.

Trotzdem herrscht in Argentinien Wahlpflicht.

Das ist kein Problem, sondern eine Tugend unseres Systems. Eine freiwillige Stimmabgabe ist ein Risiko, vielleicht gehen die Leute nicht wählen, weil sie denken: „Meine Stimme zählt nicht viel, was macht sie schon aus, eine von 50 Millionen.“ Die Wahlpflicht ist ein kleiner Schubs, den der Staat gibt. Es heißt, dass Nichtwähler eine Strafe zahlen müssen, aber das wird nicht durchgezogen. Die Wahlpflicht ist ein wichtiger Anreiz, schließlich steht etwas Bedeutendes auf dem Spiel: „Wie definieren wir die politische Organisation in den nächsten Jahren?“

Das Vertrauen in die Institutionen ist gering. Wie schätzen Sie deren Leistung ein?

Es gibt eine Tradition der Staatsstreiche, aber das Militär hat nicht mehr viel Einfluss auf die Politik. Ich würde mir in Argentinien, und auch in anderen Ländern, mehr Sorgen um die Rolle der Polizei machen. Sie ist nach wie vor korrupt und in Verbrechen verwickelt. Die Justiz ist besser geworden. Es war lange üblich, dass eine Regierung versuchte, eine Mehrheit im Obersten Gericht zu erreichen. Deshalb variierte die Qualität und die Rechssprechung wechselte oft. Wir hatten liberale Gerichte, konservative, korrupte, und in diesem Moment ist das Oberste Gericht respektabel, mit guter akademischer Bildung, unabhängig.

Wieviel Einfluss hat die so genannte „fünfte Macht“?

Der Einfluss großer Unternehmen ist ein großes Defizit der Demokratie in Deutschland und in Argentinien. Bei uns kommt ein wirtschaftliches Ungleichgewicht dazu, das dafür sorgt, dass die Mächtigen noch mächtiger sind. Bis in die 70er und 80er Jahre war Argentinien sehr egalitär, mit der letzten Diktatur änderten sich diese Strukturen. Die Ungleichheit ist ein Problem, für das wir noch lange keine Lösung haben.

Wie frei ist die Presse?

Journalisten werden in Argentinien nicht verfolgt, es gibt oppositionelle Medien und keine direkte Zensur. Es gibt indirekte Zensur, vor allem in der Art und Weise, wie die Regierung Anzeigen von Staatsseite verteilt. Das sind enorme Summen, die nach Gutdünken vergeben werden. Abgesehen davon haben wir das gleiche Problem wie alle Länder mit ungleichen Stukturen: Es gibt Stimmen, die nicht gehört werden, weil sie nicht genug Macht oder Geld haben, an die Öffentlichkeit zu kommen. Das kann auch in Deutschland passieren, zum Beispiel müsste man überprüfen, ob die verschiedenen Einwanderergruppen Zugang zur öffentlichen Meinungsbildung haben.

Woher kommt die große Apathie in einigen Ländern?

In Europa hat die wachsende Apathie damit zu tun, dass die Leute merken, dass die Entscheider von Lobbygruppen beeinflusst sind. Die großen Unternehmen haben leichter Zugang zur Macht als die Bürger, der Einfluss der Interessensgruppen ist größer als der von hunderttausenden von Bürgern. Die Türen des Systems sind verschlossen, wenn die Menschen Druck machen. Aber die Systeme sind sensibel für den Druck von Machtgruppen, von Lobbyisten.

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Googlexploitaglobalisation* http://superdemokraticos.com/themen/globalisierung/googlexploitaglobalisation/ Mon, 27 Sep 2010 07:02:54 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=2223 Globalisierung: [Damit] wird so etwas wie eine geheime Macht bezeichnet, die die Welt bewegt, unser aller Leben bestimmt und uns immer stärker beherrscht.
Joachim Hirsch

Wie sehr ich doch diese kleine Maschine mag, auf der ich jeden Tag schreibe, suche, recherchiere, mich informiere, mit Freunden in fernen Ländern spreche… niemand zweifelt an der Unberechenbarkeit des Internets, an seiner technologischen Schönheit….

Aber es ist auch gut zu wissen, dass dieses herrliche Notebook, fast schon Verlängerung meiner Finger und Gedanken, mit Sicherheit von einem Sklavenkind in Asien zusammengebaut wurde. Diese schreckliche Dualität, diese dunkle Realität, ist eine erwiesene Präsenz, eine Realität unserer globalisierten Welt und Teil dessen, das ich nicht vergessen möchte.

Wir sind miteinander verstrickt, sehr verstrickt. Und ich ziehe es vor, aufmerksam zu sein und darüber nachzudenken, was man aus all dem macht.

Ich google:

– Globalisierung als ökonomischer Prozess: Das kapitalistische System ist von Anfang an ein globales System, weshalb die gegenwärtige Globalisierung in ihrem Wesen ein kapitalistisches Projekt im Klassenkampf ist.

– Produktion: dazu Folgendes: Es sind die privaten Unternehmen, die die wirtschaftlichen Regeln der Produktion bestimmen. Die ökonomische Globalisierung schlug eine neue Form der Verknüpfung auf der Ebene der Produktion, Verteilung und Kommerzialisierung von Dienstleistungen und Gütern vor, wodurch die Welt als privilegierter Raum gesetzt wurde, in dem es möglich ist, unternehmerischen Gewinn zu erwirtschaften. Gemeinsam mit der Politik des freien Marktes und der industriellen Förderung durch Steuerbefreiungen verlagerte sich die industrielle Produktion territorial, um von geringeren Produktionskosten zu profitieren.

– Klassenkampf: Im Rahmen des kapitalistischen Systems zerstören die globalisierte Wirtschaft und die globale Arbeitsteilung die Arbeitnehmerrechte und die Gewerkschaften und vertiefen die ökonomischen und sozialen Ungleichheiten. Wenn die wichtigste Waffe des Proletariats seine Masse und Organisation ist, so ist die Zwangsarbeit eine Methode, um das Proletariat zu entwaffnen.

– Sklavenarbeit: Die versklavten Arbeiter haben keine Mittel, um gegen die Ausbeutung zu kämpfen, wie es uns, dem Rest der Lohnarbeiter, möglich ist. Sie haben keine Möglichkeit, sich zu vereinigen, gewerkschaftlich aktiv zu werden oder die Unternehmen ökonomisch unter Druck zu setzen. Sie können keinen Kampf gegen den Arbeitgeber aufrecht erhalten, da sie zuallererst überleben müssen. Weiter: Ihre Lebensbedingungen führen dazu, dass sie vom Rest der Arbeiterklasse isoliert sind. Weiter: deklassiert.

– Sklaverei: 1948. Wendepunkt des Kapitalismus. Ende des Zweiten Weltkriegs. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen: „Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten.“ Zahlen: Laut Berichten von Organisationen, die sich dem Kampf der Sklaverei verschrieben haben, gibt es heute mindestens 27 Mio. Sklaven auf der Welt. Frage: Warum gibt es heute mehr Sklaven als im 16., 17. und 18. Jahrhundert gemeinsam? Alle diese Zahlen finden sich bei Google.

– ein Beispiel: Die Textilindustrie ist eine der am meisten globalisierten, die großen Marken wie Levi’s, Guess oder Nike verlagern die Produktion, die gering-qualifizierte Arbeit erfordert, in Gebiete wie Asien und Lateinamerika, wo die Industrie sie in Hülle und Fülle mit semi-versklavter Arbeitskraft versorgt, wie auch die Gesetzgebung ausländische Investitionen durch Zollbefreiungen und steuerliche Entlastungen erleichtert, wenn diese Unternehmen innerhalb ihrer Freizonen produzieren. In diesen Fabriken sind zwischen 60 und 90% der Arbeiter Frauen und die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen ist grotesk. Eine andere Zahl: Kinder sind die ersten Opfer dieser Praktiken, die bis zu 10% der Arbeitskraft der Welt ausmachen und schätzungsweise jährlich 13 Milliarden (US$) des globalen BIP ausmachen.

– in Argentinien: Dem Bericht „Quién es quien en la cadena de valor de la industria textil“ (Wer ist wer in der Wertkette der Textilindustrie) zufolge, der von der Stiftung „El Otro“ (Der Andere) und der Organisation „Interrupción“ (Störung) erstellt wurde, ist die am weitesten verbreitete und bekannteste Form (des Handels mit dem Ziel der Ausbeutung von Arbeit) die Ausbeutung von Personen in den Produktionsstätten der Kleidungsindustrie. Die Fälle von Handel mit versklavter und unterwürfiger Arbeit in Argentinien konzentrieren sich im Norden des Landes und in den Produktionsstätten in der Stadt Buenos Aires und Umgebung. Die Immigranten der angrenzenden Länder, vor allem aus Bolivien, leiden am meisten unter dieser Ausbeutung.

– ein anderes Beispiel: Die Textildesigner-Werkstatt von Yo no fui, wo die Frauen ihre eigenen Produkte herstellen und verkaufen, kann nicht mit den Marktpreisen konkurrieren. Wenn eine Person, die arbeitet, einen gerechten Preis für die geleistete Arbeit verlangt, bleibt sie vom Markt ausgeschlossen… oder besser, wie auch die Poesie, sucht sie sich Nischen, in denen sie wachsen kann. Was tun wir? Wir verkaufen von Angesicht zu Angesicht, direkt vom Produzenten zum Käufer. Auf Märkten, Festen, in Büros usw. Wir sind viele, die diese Form der Produktion bevorzugen, möglicherweise sind wir nicht genügend Leute, aber doch viele… Fairer Handel und verantwortungsvoller Konsum.

*Dieser Text ist eine Kollage aus Material, das durch verschiedene Google-Suchanfragen zusammengestellt wurde.

Übersetzung: Marcela Knapp

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Nichtmal als Nutten http://superdemokraticos.com/themen/burger/nichtmal-als-nutten/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/nichtmal-als-nutten/#comments Thu, 02 Sep 2010 06:49:07 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1389 Ein Europäer, der mal in Argentinien zu Besuch war, erinnert sich gerne an die Gastfreundschaft: „Ruf mich an!“ „Komm vorbei, wir grillen!“ Argentinier empfangen Ausländer mit offenen Armen – wenn sie von der Nordhalbkugel kommen. Menschen aus ärmeren Regionen Lateinamerikas haben es schwer.

„Argentinien hat sich immer als weißes Land verstanden“, sagt Lourdes Rivadeneyra. „Die Diskriminierung gegenüber den Einwanderern aus den Nachbarländern hat viel mit der Hautfarbe zu tun, den Gesichtszügen und der Armut. Plötzlich bist du für viele ein Feind. Es gab mal im ganzen Viertel Plakate auf denen stand: Die Bolivianerinnen wollen wir nicht mal als Nutten.“

Rivadeneyra kam vor 18 Jahren aus Peru nach Argentinien, heute arbeitet sie beim Inadi, der argentinischen Antidiskriminierungsbehörde. Dort hilft sie Einwanderern aus Bolivien, Paraguay und Peru dabei, sich ein neues Leben in Argentinien aufzubauen. Etwa zehn Prozent der 38 Millionen Bewohner Argentiniens stammen inzwischen aus Paraguay, Peru und Bolivien. Die Leute träumen den amerikanischen Traum“, sagt Rivadeneyra. „Sie glauben, dass sie ein großartiges Leben in Argentinien vorfinden. Aber leider ist die Realität eine andere. Viele haben keine Arbeit, leben unter unmenschlichen Bedingungen, in sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen.“

Auf der Straße angesprochen sind die Argentinier zurückhaltend. Doch zwischen den Zeilen ist ihre Ablehnung der Einwanderer herauszuhören.

Zum Anhören (spanisch):

[audio:http://superdemokraticos.com/wp-content/uploads/2010/08/encuesta-argentina.mp3|titles=Encuesta / Umfrage]

Frau 1: Ich glaube, sie machen viele Arbeiten, die wir, die Argentinier, gar nicht machen wollen.

Mann 1: Ihnen geht es hier viel besser als es ihnen jemals in ihrer Heimat gegangen ist.

Frau 2: Alle diese Leute nutzen unsere öffentlichen Einrichtungen und geben nichts zurück. Sie zahlen nichts.

Frau 1: Manchmal sage ich etwas Fremdenfeindliches, denke Schlechtes, sage: Das ist bestimmt ein Bolivianer, ein Paraguayer. Dann ärgere ich mich über mich selbst. Aber ich bin auch nur ein Mensch, ich kann das nicht vermeiden.

Mann 3: Alles, was von außen kommt, akzeptieren wir. Woanders beschweren sich die Leute, dass es schwierig ist, zur Gesellschaft dazu gehören. Hier akzeptieren wir Leute aus anderen Ländern schnell. Aber, was mir weh tut, zum Beispiel: Die Italiener und die Spanier, kamen und gaben alles. Heute gibt es eine andere Art von Einwanderung, aus den Nachbarländern. Die sind bequem. Sie möchten, dass man ihnen ein Haus gibt, besetzen Häuser, die Italiener und die Spanier machten so etwas nicht.

Umfragen zeigen, dass sechs von zehn Bolivianern mit dem Gedanken spielen, die Heimat zu verlassen. Viele von ihnen wollen nach Argentinien. Weil sie schlecht informiert seien und nicht wissen was sie vor Ort erwartet, sagt Rivadeneyra. Ein Auswanderer gebe gegenüber der Familie in der Heimat nicht zu, wenn es ihm nicht gut geht: „El extranjero nunca va a decir a su familia que está mal.“

Auch Shirley López hatte vor der Abreise niemand gesagt, dass Bolivianer in Argentinien nicht überall willkommen sind. Sie hatte von Freundinnen gehört, dass „Argentinien genial war, dass man in Dollar verdient, das Leben sehr gut sei und das Essen lecker.“

López ist klein und hat einen dunklen Teint. Keine guten Ausgangsbedingungen für ein neues Leben in Buenos Aires. Zunächst arbeitete Shirley als Schneiderin in einer koreanischen Textilfabrik, jetzt ist sie Hausfrau und kümmert sich um ihre kleine Tochter. Drei Jahre wohnt die 34-Jährige nun schon in Argentinien und fühlt sich noch immer fremd. Hätte sie dort nicht ihren Mann kennen gelernt, sie wäre längst wieder in Bolivien. Sie wünscht sich von den Argentiniern mehr Respekt.

„Alle Argentinier sind Einwanderer. Und sie leben auf dem Land der Quechua, Aymara und Querandíes. Aber das wollen sie nicht verstehen. Sie sagen immer, dass wir die Invasoren, die Einwanderer sind, weil wir klein sind und braune Haut haben. Indios, nennen sie uns. Scheiß-Bolivianer, schmutzige Bolitas.“

Wenn Shirley ihre Heimat vermisst, geht sie in ihr Zimmer, hört bolivianische Musik und schließt die Augen.

Zum Anhören (spanisch):

[audio:http://superdemokraticos.com/wp-content/uploads/2010/08/shirley-musica.mp3|titles=Shirley hört Musik in ihrem Zimmer]

„Ich höre die Musik aus Bolivien sehr gerne. Ich fühle mich dann meiner Familie und manchmal denke ich, dass ich Zuhause bin. Auch wenn ich in meinem Zimmer eingesperrt bin, habe ich das Gefühl, da zu sein, wenn die Musik laut ist. Ich stelle mir dann vor, dass ich da bin. Ich höre sie immer, aber wenn ich traurig bin, lieber nicht.“

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts haben vor allem italienische, spanische aber auch jüdische und arabische Einwanderer die argentinische Gesellschaft stark geprägt. Heute sei die Situation anders, sagt Rivadeneyra. Argentinien müsse sich an Einwanderer aus allen Regionen Lateinamerikas gewöhnen: „Früher kamen wenige Kolumbianer, jetzt kommen mindestens zehn am Tag, die meisten sind Jugendliche. Auch aus Haiti kommen sehr viele Flüchtlinge, nicht erst seit dem Erdbeben. Das Problem ist die Armut. Ein Ausländer, der Geld hat, wird nicht diskriminiert.“

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Alles ist gewalttätig http://superdemokraticos.com/themen/burger/alles-ist-gewalttatig/ Tue, 31 Aug 2010 17:08:26 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=1324

Ich entschuldige mich, falls das hier sehr schwer zu lesen ist, aber ich wollte es auf diese Art ausdrücken.

Uruguay ist unterteilt in 19 Departments die Gesamtfläche von Uruguay ist kleiner als einige der Provinzen Argentiniens sehr oft behandeln uns die Argentinier als wären wir eine argentinische Provinz sehr oft verhalten wir uns so als wären wir eine ich möchte über die Gewalt schreiben über die Migration über das von Tag zu Tag ich möchte es versuchen und ich möchte es so tun wie ein Fluss wie ein Wortschwall und ich weiß nicht ob es auf Deutsch funktioniert aber ich werde es auf Spanisch versuchen ich will sagen dass Uruguay ein kleines Land ist wir sind drei Millionen Einwohner vielleicht dreieinhalb Millionen und dies halbe Million lebt außerhalb der Grenzen des Landes vor einiger Zeit kam es jemanden in den Sinn diese halbe Million die außerhalb von Uruguay lebt Uruguayer zu nennen sie wurden das 20. Departement getauft sie wollten signalisieren zu verstehen geben dass dort wo sie wohnten Uruguay sei aber es hat nicht funktioniert vor einem Jahr haben wir versucht die Briefwahl einzuführen oder etwas dass den uruguayischen Bürgern die im Ausland leben mehr Rechte verliehen hätte aber der Vorschlag wurde nicht verabschiedet die Idee überwog dass die im Ausland wohnhaften Uruguayer nicht die gleichen Rechte haben wie die Inländer wir sind Uruguayer einer anderen Kategorie dieses kleine und unterentwickelte Uruguay hat auf diesem Wege keine Zukunft eines unserer dringlichsten Probleme besteht in dem was man brain drain nennt das Problem besteht darin dass wir zwar eine gute und kostenlose Hochschulbildung haben aber das Land nicht all die Akademiker im Land halten kann die es ausbildet die sofort von anderen Ländern absorbiert werden wo sie sehr viel bessere Gehälter beziehen als in Uruguay also gehen die gut ausgebildeten Akademiker weg und ziehen es vor ihr Leben und ihre Karriere in einem Land zu verfolgen das dies ermöglicht es ist vernünftig Uruguay die Uruguayer die verschiedenen Regierungen haben versucht dem Einhalt zu gebieten in der Krise von 2002 emigrierten fast so viele Tausende von Personen aus Uruguay wie zurzeit der Militärdiktatur was mich daran erinnert wie ein Freund zu mir meinte dass die Diktatur des Geldes regiert über uns siegt uns foltert und dass sie kam um zu bleiben wir erhalten sie mit unserer Wahlstimme aufrecht und mit dem Schweigen ich denke dass es vielleicht sehr gewalttätig ist was ich sage und ich denke dass alles gewalttätig ist und das zu akzeptieren zum ehrlich sein dazu gehört gewaltsame Ehrlichkeit jeder Akt ist ein gewalttätiger Akt und bestätige das mit meiner täglichen alltäglichen Handlung jede Absicht ist zugunsten von etwas und gegen etwas anderes nichts ist unschuldig die Gewaltlosigkeit existiert nicht der Frieden existiert nicht nur im Grab und auf den Friedhöfen das Schweigen und die Grautönigkeit des absoluten Nichts des Endes nichts ist dem Leben entgegen gesetzter auch mein Schreiben dieser Akt ohne Punkt und Komma ist ein gewalttätiger Akt gegen meine Übersetzerin die alles neu schreiben muss alles was ich versucht habe zu schreiben wird sie neu schreiben und ihr Text wird meinen so umstellen dass er wieder meinem Gewalt antun kann sie wird ihre Gewalt der Interpretation nutzen um meinen gewalttätigen Akt zu übersetzen ich greife sie an sie greift mich an und alles aus Mangel an Punkten und Kommata was kann man sonst vom Leben erwarten wo die Punkte und Kommata nicht zählen aber vielleicht ist dieses Auslassen der Anfang von allen Auslassungen alles fängt in der Sprache an und so ist die Gewalt der Straße eine Gewalt der Sprache vielleicht provoziert mein Mangel an Orthographie am Ende eine Stammesfehde in Afrika prätentiös und Schwindel erregend aber jeder gewaltsame Akt ist in sich gewaltsam und nicht graduell ein Schrei ist so gewalttätig wie eine Bombe das was sich ändert sind die Konsequenzen die jener hervorruft  je nachdem in welchem Kontext er geschieht eine Bombe mitten im Ozean mag vielleicht weniger gewaltsam für uns sein als eine Schrei mitten in unserem Schlaf denn die Gewalt richtet sich immer gegen jemanden und sicher trifft es die Fische mehr als uns aber nur wir sind in der Lage über diese Gewalt nachzudenken über diese unaufhörliche Notwendigkeit  gewalttätige Akte hervorzubringen seit unserer Geburt wir kommen unter den Schreien unserer Mütter zur Welt und die erste Absicht ist es uns zum Schreien zu bringen und wenn wir es nicht tun wird der Arzt uns schlagen bis wir es machen versteh doch auf diese gewaltsame Tour die Welt ist Gewalt und der Frieden existiert nur auf den Friedhöfen.

Übersetzung: Anne Becker

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Nicht-Orte und Neues aus Deutschland http://superdemokraticos.com/themen/burger/nicht-orte-und-neues-aus-deutschland/ http://superdemokraticos.com/themen/burger/nicht-orte-und-neues-aus-deutschland/#comments Mon, 23 Aug 2010 15:34:08 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=901 Zum ersten Mal seit überhaupt haben mich Freunde in Argentinien in letzter Zeit darauf angesprochen, was in Deutschland los sei und dabei gelächelt: „Na, werdet ihr jetzt Bananenrepublik?“

In den letzten Jahren hatte sich hier niemand so richtig für innerdeutsche Probleme interessiert, warum auch. Wenn etwa Berichte über die Wirtschaftskrise in Deutschland kamen, wurden sie A) nicht ernst genommen oder B) belächelt („na, seht ihr, so fühlt sich das an!“). Auch ich selbst nehme mich da nicht aus. Zu oft musste ich mir arrogante Bemerkungen anhören, wenn ich aus Südamerika berichtete: „Tststs, was da nicht alles los ist, in diesen Ländern, da unten im Süden.“ Immer mit dem Unterton: „UNS könnte so was ja nicht passieren.“

Jetzt sammeln meine Freunde plötzlich Zeitungssausschnitte und bringen sie mir mit: Ein Präsident tritt beleidigt zurück. Ein Tintenfisch als Zukunftsorakel. Der Euro in Gefahr. Korruptionsskandale um Ferrostaal und Siemens. Man kann Demonstranten mieten und Führerscheine kaufen. Das Unglück in Duisburg bei der Loveparade – Veranstalter verkalkulieren sich um ein paar Hunderttausend Gäste, Menschen werden tot getrampelt. Deutschland klaute einst die Nofretete und will sie behalten. Über 30 Jahre alte Atom-Reaktoren dürfen weiter laufen (obwohl sich vermutlich 98% der Deutschen weigern würden, ein 30 Jahre altes Auto zu fahren, weil es keinen Airbag hat).

„Na, was ist das los in Deutschland?“ fragen meine Freunde amüsiert. Ich muss sie enttäuschen. Deutschland wird niemals eine Bananenrepublik. Eine Bananenrepublik liegt im Süden, ist voll von exotischer Schönheit, ein bisschen korrupt und wenig ernsthaft. Deutschland wird nie im Süden liegen und das mit der Exotik, das kriegen wir nicht hin.

Welcher Aspekt dominiert mein Leben? Mir fallen viele Antworten ein, doch ein Aspekt ist allen gemein: Die Abwesenheit. Wie ein Pop-up, das man dann wieder wegklickt, tauche ich im Leben meiner Freunde in Deutschland und auch in Argentinien auf. Wann bin ich schonmal länger als drei Wochen am gleichen Ort? Wenn ich nach Buenos Aires zurückkehre von einer Recherche, bin ich oft da und nicht da. Ich sperre mich dort ein, zum Arbeiten, gehe nicht ans Telefon. Ich bin so frei wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Und doch gefangen von der ständigen Abwesenheit die das unmöglich macht, was das Leben ausmacht: Momente mit anderen zu teilen. Gute und schlechte. Die Abwesenheit hat Freundschaften zerstört, eine Liebe. Es ist eine Klage, die viele nicht verstehen, denn ich führe ein Leben, das sie gerne hätten (ich wollte es auch und manchmal kann ich gar nicht glauben, dass dieses Leben meins ist). Aber sie vergessen, dass es ein Lebensentwurf ist, der nur ein unzertrennliches Paar zulässt: einen Mensch und seinen Laptop.

Die Abwesenheit hat mich fest im Griff, das Hub des fehlenden Alltags sind Nicht-Orte wie Flughäfen. Dort schalte ich auf Stand-by und lasse beide Gefühle zu, die ein unstetes Leben auslöst: Hochgefühl und Melancholie.

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Digitale Körper II: Swinger Club (+18) http://superdemokraticos.com/themen/koerper/digitale-korper-ii-swinger-club-18/ Fri, 06 Aug 2010 17:54:50 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=591 Bildschirme bringen die Menschen näher. Die begeben sich dann – unzufrieden mit diesem strahlenden Verführer – auf die Straße, um jene Freuden zu finden, die der Voyeurismus und der Exhibitionismus nicht schenken können. Die Normalität verfolgt und diszipliniert uns, sei es, indem sie uns von einer Empore psychoanalytische Doktrin lehrt oder indem sie uns einen von einer Soutane verborgenen, masturbierenden Arm zeigt. Was für eine Normalität fordern diese Mächte von uns ein, in einer Zeit, in der wir unsere Intimität in einem Schaufenster ausstellen, das den gesamten Globus, alle Kulturen, alle Moral zu umfassen scheint?

Wir treten auf die Straße und sind uns dieser Dilemmata bewusst. Unser Wissen von dem Widerspruch, dass wir nicht besitzen können, was noch nicht existiert, ist unerschütterlich; wir fühlen uns schuldig, uns selbst zu unterdrücken, schuldig, Regeln zu benötigen, um uns zwischen andere Körper zu begeben. Wir fühlen uns durch die miteinander geteilte Geilheit und die schlaflosen Stunden, in denen wir mit Hilfe von Emoticons, vorgefertigten Wörtern und unmöglichen, übertriebenen Bildern reden und reden, ermutigt. Wir, nur zwei Menschen, die auf der Suche danach waren, unsere wirkungslosen Genitalien wiederzubeleben, stürzten uns auf die Straße, um zum ersten Mal unsere Gerüche zu suchen, die Farben, die die Realität in sich birgt.

Eine bestimmte Etikette musste befolgt werden, um Zugang zu diesem Swinger Club zu bekommen, wobei es sich lediglich um gemeinschaftliche Normen handelte, die dazu gedacht waren, den Gruppensex entspannter zu gestalten. Die Neutralität der Dinge, der Objekte und sogar des Denkens verdeckten sich hinter Keimfreiheit. Eingehüllt in ein Kleid, das jeden Millimeter deines Körper abzeichnete, hast du gestrahlt und warst auch ein bisschen erschrocken. Der Stoff, den du trugst, war so zart wie deine Haut, und das Geschehen des Abends geleitete uns bis zu einem dunklen Raum, das von einem riesigen, in Plastik gehüllten Bett beherrscht wurde. Ein Pärchen schloss sich uns an, das ihre Blicke auf deine spitzen Brüste heftete, die schon von meiner Spucke schimmerten.

Eingebunden in das Spiel, nähertest du dich diesen zwei Körpern, um ihnen mit Gesten zu signalisieren, dass ich nur hier war, um dir zuzuschauen, dass meine Anwesenheit ausschließlich professioneller Natur war, dass ich gerade einen Artikel über Körper für „Los Superdemokráticos“ schrieb… über die Körper, die in unseren Computern ein- und ausgehen; diese Körper, die sich uns anschlossen, während deine Kleidung verschwand.

Du warst die einzige, die vollständig nackt war, du warst ein Fleck aus Fleisch inmitten der verwickelten Kleidung der Menge, und ich beobachtete dich, um deine authentische Lust von simulierter Lust trennen zu können. Du bewegtest dich wie ein riesiger Mund von einem Geschlecht zum anderen, und alle Teilnehmenden begannen, sich deinem schwachen Stöhnen, deiner Atmung anzuschließen. Es türmte sich bereits auf dem Bett und die Hände der Männer und Frauen über dir, als du den Entschluss fasstest, einen jungen Mann, der abseits wartete, einzuladen. Du bücktest dich und strecktest ihm deinen Hintern entgegen und verführtest ihn damit auf solch überzeugende Weise, dass er sich innerhalb weniger Minuten entkleidete und sich einen Weg bahnte, um in dich einzudringen. Indem er sanft deine winzige Hüfte umfasste und seinen Blick auf deine offenen Pobacken heftete, brachte er meine Geilheit fast bis zum Kollaps. Mit einer geplanten Bewegung zogst du deinen Kopf zwischen den Beinen einer Brünetten hervor und lehntest deinen Rücken an die Brust des jungen Mannes, der weiterhin in dir war. Als er deine Wärme, die hohe Temperatur deines Fiebers spürte, fasste er dir an die Brust und schenkte dir einen Schauer feuchter Küsse und schmutziger Worte…

Du danktest ihm

mit einem Stöhnen

das ein massives

kollektives Seufzen

entfesselte…

Übersetzung: Marcela Knapp

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Hauptsache weiß http://superdemokraticos.com/themen/koerper/hauptsache-weis/ http://superdemokraticos.com/themen/koerper/hauptsache-weis/#comments Wed, 21 Jul 2010 16:40:31 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=480 Die Frage dieses Monats:

Wärst Du in deinem Land lieber ein Mann oder eine Frau?

Meine Antwort:

Geschlecht egal. Hauptsache weiß.

Klar, argentinische Männer beschweren sich über ihr hartes Schicksal, ständig Frauen im Bus einen Platz anbieten zu müssen. Und, natürlich, es gibt noch einige Dinge, für die die Frauen in Argentinien kämpfen müssen. Aber, viel entscheidender als das Geschlecht ist für den Lebensverlauf die Hautfarbe.

Nachfahren der Ureinwohner und Einwanderer aus Nachbarländern haben es schwer in Argentinien. An eine Hauswand im Zentrum wurde gesprayt: „Die Bolivianerinnen wollen wir nicht mal als Nutten.“ Und gegenüber Einwanderern aus Europa und den USA gibt es eine positive Diskriminierung (ich kann ein Auto ohne internationalen Führerschein mieten, kenne Europäer, die seit Jahren ohne Visum in Argentinien wohnen und arbeiten).Aber, es geht mir nicht darum, Statistiken über die Benachteiliung der pueblos originarios zu zitieren. Eine kleine Presseschau zeigt genauso gut, dass es auch 200 Jahre nach der Conquista so aussieht: Weiße, die Geld und Einfluss haben, können machen, was sie wollen. Die anderen können mitspielen oder es lassen.

Tinelli, das ist der argentinische Dieter Bohlen. Und Tinellis Shows sind die, die Millionen von Argentiniern sich im Abendprogramm reinziehen. Tinellis Sendung und seine Sendung Showmatch – das ist es, was die Argentinier anscheinend sehen wollen. Tinelli gibt im Fernsehen den Ton an. Als hätten die pueblos originarios noch nicht genug gelitten, legte Tinelli vor kurzem einen drauf. Auf der Insel Apipé, in der Provinz Corrientes.

Etwa 2000 Menschen leben dort, seit vier Generationen, Nachfahren der Guaraní-Indianer. Tinellis Leute geben sich als Mitarbeiter einer kanadischen Baufirma aus, teilen den Leuten auf Apipé mit, dass sie binnen weniger Tage ihr Dorf verlassen müssen (Bericht der Zeitung página12). Der „Witz“ besteht darin, die verzweifelten Dorfbewohner zu filmen. Die „solidarische Kamera“ heißt dieses Konzept Tinellis: Erst die Menschen leiden lassen, danach gibt’s ein Geschenk. In diesem Fall sollen sie ein Fähre bekommen. Doch das Konzept der versteckten Kamera geht dieses Mal nicht auf. Als der Vertreter von Tinellis Showmatch-Team sich zu erkennen gibt, reagieren die Dorfbewohner nicht erleichtert, wie sonst bei Tinellis makabren Scherzen. Denn auf Apipé gibt es keinen Strom. Die Menschen dort kennen Tinelli und seine Mitarbeiter nicht. Sie schauen nicht fern. Heftig auch: Die Bürgermeisterin spielte mit. Tinellis Leute kommen mit offiziellen Autos, werden deshalb überhaupt erst ernst genommen.

Weiter mit der Presseschau. Ein krasser Fall aus dem Nordwesten des Landes. Und vermutlich einer, von dem die Öffentlichkeit ausnahmsweise überhaupt erfährt.

Mariela, eine Jugendliche aus einer Wichi-Gemeinde, kommt aus einer Diskothek, sieht ihre Cousine in eine Sickergrube fallen. Das Mädchen läuft zu ihrem Onkel, will Hilfe zu holen. Wird später verhaftet, des Mordes angeklagt, obwohl die Leiche der Cousine nicht gefunden wird. Unter Folter gestehen Mariela und ihre Freunde, die Cousine ermordet und gevierteilt zu haben. Die Polizei ist froh, der Richter auch, der Fall ist gelöst. Dumm nur, dass die Leiche nach ein paar Tagen in der Sickergrube auftaucht. Es gab gar kein Verbrechen, keinen Kannibalismus in der Wichi-Gemeinde, keine Vierteilung. Und vermutlich gibt es auch kein Verfahren gegen die Folter-Polizisten. Wäre die Leiche der Cousine nicht aufgetaucht (in der nur dürftig eingezäunten Grube), hätten die Leute vermutlich gedacht: Jaja, diese Wichis. Schlachten sich untereinander ab. Wie unzivilisiert.

Zum Weitergucken und Weiterlesen (spanisch):
Tinellis „solidarische Kamera“:

www.youtube.com/watch?v=GOv2ksk6fgY

Das Verbrechen das keins war:

www.niapalos.com/?p=2186

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Das Saubermann-Image http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/das-saubermann-image/ http://superdemokraticos.com/themen/geschichte/das-saubermann-image/#comments Thu, 24 Jun 2010 07:00:29 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=271 Geschichte, das war das Fach in der Schule, in dem uns (den heute um-die-30-Jährigen) die Schuld eingeimpft wurde. Die Schuld vorangegangener Generationen, die Erbschuld. Aber auch das neue Selbstbewusstsein: „Hitler-Deutschland war böse, keine Frage. Aber jetzt? Wir sind die Guten!“ Wir trennen den Müll, fahren Bahn statt Auto, unsere Kühlschränke sind FCKW-frei. Wir fördern den Zusammenhalt in Europa, betreiben Entwicklungshilfe in der Dritten Welt. Das ist doch was!

Tatsächlich liegt mir nichts ferner, als Deutschland schlecht zu schreiben. Von der Südhalbkugel aus betrachtet wird es sogar immer besser. Man lernt zu schätzen, dass das Leben dort einfacher, weil berechenbarer ist. Der Bus kommt zu einer bestimmten Uhrzeit. Auf dem Amt bekommt man heute die gleiche Auskunft wie morgen. Wer nachts um vier mit dem Fahrrad alleine nach Hause fährt, kommt vermutlich heil an. Armuts-, Korruptions-, Kindersterblichkeits-Statistiken erzählen vom Glück einer ganzen Nation. Aus der Ferne betrachtet wirkt Deutschland wie ein kleines Paradies.

Doch wer sich nur weit genug von Niederorla in Thüringen (geographischer Mittelpunkt Deutschlands, nach Berechnungen des Verbands der Schulgeographen) entfernt, merkt schnell, dass das „Wir-sind-die-Guten-Bild“ in erster Linie unsere Selbstwahrnehmung ist. Zum Einen, weil Deutschland ein Paradies ist, zu dem nur wenige Auserwählte Zugang haben. Zum Anderen sind da die A-Themen (Afghanistan, Abschiebungen und andere). Zum Dritten, weil auf internationaler Ebene das „Wir-sind-die-Guten“ auch gerne mal durch ein „Uns-soll’s-gut-gehen“ ersetzt wird. Hauptsache die Wirtschaft läuft.

So hat sich Deutschland etwa in Argentinien während der letzten Militärdiktatur (1976-83) nicht mit Ruhm bekleckert. Damals war ich in der Grundschule. Und ich erinnere mich daran, dass ich vor dem Fernseher geheult habe, als Helmut Schmidt abgewählt wurde und Helmut Kohl gewann (den mochte ich nicht). Ich wusste nicht, wo Argentinien liegt. Und schon gar nicht, dass der Staat dort strategisch zehntausende Menschen foltern und ermorden ließ. Genauso wenig hatte ich eine Ahnung davon, dass die Regierung Schmidt Waffen an die argentinische Militärjunta verkaufte (sogar die USA beschlossen aufgrund der Menschenrechtsverletzungen ein Embargo). Deutschland wollte die guten Beziehungen zur Junta nicht trüben, während andere Regierungen sich um ihre Staatsangehörigen bemühten, die in geheimen Folteranstalten litten. Mehr als das: Hilfesuchenden Angehörige, die sich an die deutsche Botschaft wandten, wurde ein Gespräch mit einem gewissen Major „Peirano“ vermittelt, einem Spitzel der Militärs. Der drastischste Fall ist vermutlich der von Elisabeth Käsemann, einer deutschen Studentin, die Verfolgten der Militärdiktatur half, indem sie ihnen falsche Papiere besorgte, damit sie ausreisen konnten. Wochenlang wurde Elisabeth in einem Foltergefängnis festgehalten, dann ermordet. Eine britische Freundin, die in der gleichen Folteranstalt wie Elisabeth gequält wurde, kam nach wenigen Tagen dank diplomatischer Bemühungen wieder frei und alarmierte Käsemanns Eltern. Deutschland berief nicht einmal den argentinischen Botschafter ein. „Ein verkaufter Mercedes Benz wiegt zweifellos mehr als ein Leben“, warf Käsemanns Vater später den Diplomaten vor. Elisabeths Leiche hatte weder Haare noch Augen.

Zweifel am Saubermann-Image Deutschlands regen sich nicht nur, wenn man in die Vergangenheit blickt. Es reicht, die Zeitungen aufzuschlagen, auch in Lateinamerika. In Argentinien sorgt die Korruptionsaffäre um Siemens für Schlagzeilen. In Kolumbien werden Menschen gewaltsam von ihrem Land vertrieben, damit dort Kohle gefördert werden kann, die tonnenweise nach Deutschland exportiert wird. Deutschland ist nach den USA und Russland weltweit der drittgrößte Waffenexporteur überhaupt, auch Lateinamerika ist guter Kunde. Deutsche U-Boote wurden nach Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela verkauft.

Da müssen wir noch schön viel Bahn fahren und Müll trennen, um wirklich zu den Guten zu gehören.

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Gehen Sie doch nach China! http://superdemokraticos.com/poetologie/gehen-sie-doch-nach-china/ http://superdemokraticos.com/poetologie/gehen-sie-doch-nach-china/#comments Sat, 12 Jun 2010 10:11:16 +0000 http://superdemokraticos.com/?p=174 „Achherrje, Karen, muss es unbedingt Südamerika sein?“ sagten die Redakteure, denen ich 2005 erzählte, dass ich ab sofort von Buenos Aires aus arbeiten würde. „Wir würden ja gerne so viel wie möglich von Ihnen drucken! Aber, gehen Sie doch nach China!“

Südamerika ist für Deutschland nicht das Epizentrum des Weltgeschehens, das war mir klar. Und egal. Ich hatte meine Abschlussarbeit über die „Konstruktion von Wirklichkeit in Krisensituationen am Beispiel der Abwertung des argentinischen Pesos“ (weder Titel noch Text sind leserfreundlich, ich weiß!) geschrieben, Praktika in Buenos Aires gemacht, Freunde gefunden. Aber das alles hatte gerade gereicht, um meine Neugier zu wecken. Ich wollte mehr lernen über diesen Kontinent.

Inzwischen bin ich seit fünf Jahren Korrespondentin des Weltreporter-Netzwerks in Südamerika. Ein toller Job, aber einfach ist er nicht. Ich musste mich an die typischen Absagen gewöhnt: „Nein danke, Peru brauchen wir nicht, wir hatten gerade was aus Uruguay.“ „Vielen Dank, Folter ist kein Frühlingsthema. Haben Sie nicht was Lustiges, was Buntes? Doch glücklicherweise gibt es immer wieder Redakteure, die sich nicht nur für Maradona und Ché-Gedenktage interessieren, sondern auch für Menschenrechts- oder Umweltthemen. Und ihren Lesern solche Geschichten nicht vorenthalten möchten.

Im Alltag freue ich mich über kleine Momente, die die Lust am Schreiben aufrecht halten. Ich denke da an die Geschichte von Bernardo, einem jüdischen Schuhputzer. 1938 hieß er noch Bernhard und floh mit seiner Familie aus Berlin nach Buenos Aires, gerade noch rechtzeitig, bevor die Nazis die Grenzen dicht machten. Sein Vater starb kurz nach der Ankunft in Argentinien, Bernardo verlor ein Auge und ging nicht mehr zu Schule. Bald hatte er sich damit abgefunden, bis an sein Lebensende Schuhe zu putzen und das Brandenburger Tor nie wieder zu sehen, was trotz des zweiten Weltkriegs sein Traum blieb. Er hatte weder Geld noch eine Staatsangehörigkeit. Das änderte sich erst 70 Jahre nach seiner Flucht aus Deutschland, als sich ein junger Anwalt die Schuhe putzen ließ. Dem aufmerksamen Kunden fiel Bernardos deutscher Akzent auf. Und weil Alejandro Candiotis Vater der argentinische Botschafter in Berlin war, hatte Bernardo dank der Bemühungen des Anwalts bald seinen deutschen Pass zurück. Nach einem Artikel auf Spiegel Online ließ Angela Merkel dem Schuhputzer einen Gruß senden, den Bernardo heute noch – zusammen mit dem ausgedruckten Artikel – in der Kiste mit den Putzutensilien mit sich herum trägt.

Allmählich wächst das Interesse an Südamerikathemen in Deutschland. Das mag polarisierenden Figuren wie Hugo Chávez oder der Rolle Brasiliens als Wirtschaftsmacht zu verdanken sein. Aber auch der Austausch-Achse „Berlin-Buenos Aires“, die Neugier auf Kulturthemen weckt. Weshalb ich übrigens immer noch nicht vor habe, nach China zu ziehen.

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